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02.05.2001 BRD

Fakten schaffen statt diskutieren: Bonner Forscher wollen embryonale Stammzellen aus Israel importieren

Ausgerechnet an jenem Tag (31.5.2001) als im Deutschen Bundestag heftig über Präimplantationsdiagnostik und Embryonenforschung diskutiert wurde, hat der nordrheinwestfälische Ministerpräsident Wolfgang Clement (SPD) zusammen mit den Bonner Neuropathologen Otmar Wiestler und Oliver Brüstle an einem Treffen mit ihren israelischen Kollegen teilgenommen. Das wissenschaftliche Gesprach, das dabei stattgefunden hat, soll der Zusammenarbeit dienen. Die Bonner Forscher sollen aus Israel embryonale Stammzellen erhalten, da diese nach dem Deutschen Embryonenschutzgesetz nicht aus Embryonen entnommen werden dürfen, die in der BRD entstanden sind.

>Dieses Vorgehen hatte unlängst die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) dem Gesetzgeber empfohlen, als sie ihren Bericht zur Stammzellenproblematik veröffentlichte. Nach geltendem Recht sei dies gestattet, hiess es in der Empfehlung des DFG. Allerdings wurde einschränkend festgehalten, dass die Zellen nur aus «überzähligen» Embryonen gewonnen werden dürfen, und die Betroffenen der Herstellung zugestimmt haben müssen. Ausserdem darf der Import erst nach einer Genehmigung erfolgen, die in einem zweistufigen Prüfungsverfahren erteilt wird, und zwar erst nach einer "Prüfung auf wissenschaftliche Bonität und einer solchen auf ethische Vertretbarkeit der geplanten Versuche" hin.

In der gegenwärtigen Diskussion wird zurecht gegen die Instumentalisierung des menschlichen Lebens in seinem Anfangsstadium argumentiert. Ein weiterer Einwand gegen den Import embryonaler Stammzellen ist die Tatsache, dass sich diese ohne genetische Veränderung niemals in Gewebe verwandeln lassen, das bei der Transplantation keine Abstossungsreaktionen verursacht. Adulte Stammzellen, die vom Patienten selber entnommen werden können, weisen hingegen den kaum zu überschätzenden Vorteil auf, dass die befürchteten Abstossungsreaktionen ausbleiben.

Mit Fug und Recht hat die vorpreschende Vorgehensweise des Ministerpräsidenten und der Bonner Forscher in allen Lagern der Parteien Empörung ausgelöst. Wenn man bedenkt, wie vorsichtig und dikussionsbereit sich die beiden Neuropathologen Wiestler und Brüstle noch am 16. Juni 2000 im Deutschen Ärzteblatt äusserten, hat unterdessen doch ein ziemlicher Gesinnungswandel stattgefunden:

"Aufgrund des langfristig zu erhoffenden Nutzens embryonaler Stammzellen für biomedizinische Anwendungen erscheint uns eine breite öffentliche Debatte mit Beteiligung aller einzubeziehenden gesellschaftlichen Gruppen dringend erforderlich.

Unter Mitwirkung von Ärzten, Wissenschaftlern, Juristen, medizinethisch ausgewiesenen Experten und Politikern ist auf diesem diffizilen Gebiet durchaus eine einvernehmliche Lösung denkbar."
(Dt Ärztebl 97 (2000) A-1672)

Weil die Forscher nun plötzlich die Diskussionen der höchsten Bundespolitiker und ethisch begründete Einwände ungeachtet beiseite lassen, stellen sich doch einige Fragen: Sind die Forscher durch die pragmatisch wirtschaftlich orientierten Überlegungen des Bundeskanzlers Gerhard Schröder zu diesem Vorgehen inspiriert worden? Wollen Sie die Tür zur Forschung mit embryonalen Stammzellen öffnen und ihren Fuss hineinstellen, damit der Bundestag sie nicht mehr zuknallen kann? Oder waren die Aussagen im Deutschen Ärzteblatt bedeutungslose Floskeln, die dazu dienten, kritische Stimmen zu beruhigen und einen diskussionsbereiten Eindruck zu hinterlassen, um sie später mit Fakten zu überrumpeln? Vielleicht äussern sich die Forscher dazu, wenn Sie ihnen eine E-Mail zukommen lassen.

Mit Sicherheit werden die kommenden Wochen und Monate darauf eine Antwort geben. Eines wird man aber den Bonner Forschern nicht unterstellen dürfen: Naivität.

Stammzellenimport ist auch in der Schweiz nicht gesetzlich geregelt

Im Fortpflanzungsmedizingesetz, das erst am 1. Januar 2001 in Kraft getreten ist, gibt es keine Bestimmung, die den Import von embryonalen Stammzellen regeln oder verbieten würde. Deshalb muss damit gerechnet werden, dass auch in der Schweiz ähnliche Vorkommnisse wie in der BRD nicht ausgeschlossen sind. Wenn man bedenkt, dass am Universitätsspital in Genf und am Kantonsspital in Baden Verfahren mit überzähligen Embryonen angewendet und publiziert (!) wurden, die seit 1993 nach Art 24novies bzw. neu gemäss Art. 114 der Schweizerischen Bundesverfassung verboten sind, würde es nicht wundern, wenn es auch Schweizer Forscher gelüsten würde, sich in diesem ethisch verwerflichen Forschungsfeld zu betätigen. Immerhin haben sich nach meinem Wissen Forscher in der BRD bislang noch keine vergleichbaren Ausrutscher geleistet.

Literatur

Brüstle Oliver, Wiestler Otmar D., Zellersatz aus embryonalen Stammzellen: Neue Perspektiven für die Transplantationsmedizin: Dt Ärztebl 97 (2000) A-1666-1674.

Externe Links

Institut für Neuropathologie medizinische Fakultät der Universität Bonn

Prof. Dr. Otmar Wiestler: neuropath@uni-bonn.de

PD Dr. Oliver Brüstle: umt910@uni-bonn.de

Deutsches Ärzteblatt

Human Life International Schweiz

Entwicklung überzähliger Embryonen zu Blastozysten am Universitätsspital in Genf

Selektion der überlebensfähigsten Embryonen im Reagensglas am Kantonsspital in Baden